Pressemitteilung | Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)

BSE - Chancen der Krise

(München) - Lebensmittelskandale haben sich in letzter Zeit gehäuft, ob Glycol im Wein, vergiftete Substanzen im Olivenöl, Rundwürmer in Fischen, Hormone bei der Kälbermast, Pestizide in der Babynahrung, Nikotineinsatz in der Hühnerhaltung oder Dioxin in der Nahrungskette. Doch nie zuvor waren die Menschen so verunsichert wie heute und fragen sich, nachdem der erste Fall von BSE bei einer deutschen Kuh bekannt wurde: Was kann man denn überhaupt noch essen?

Kein garantierter Schutz vor BSE
Der BSE-Erreger ist bisher noch immer nicht exakt bekannt. Wahrscheinlich handelt es sich um ein verändertes, infektiöses und körpereigenes Proteinmolekül (= Prionenhypothese). Es gilt als sicher, dass der BSE-Erreger nicht durch Kochen oder andere küchentechnische Verfahren unschädlich zu machen ist. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) gibt es keinen garantierten Schutz vor dem Rinderwahn. Darum sollten Verbraucher beim Kauf von Rindfleisch sowie Wurstwaren an der Theke darauf achten, dass die Herkunft und die Zusammensetzung der Fleischprodukte zweifelsfrei deklariert sind.

Nicht nur das Steak ist betroffen
Rindfleisch kann beispielsweise in Hackfleischgerichten, Fertigsaucen mit Hackfleisch, in Suppen, Konserven, Würstchen und Pasteten in zerkleinerter Form enthalten sein. Die DGE fordert gerade bei diesen Nahrungsmitteln eine Deklaration mit Herkunftsnachweis. Wer also kein Risiko eingehen will, sollte ganz auf den Genuß von Rindfleisch und Wurstwaren mit Anteilen vom Rind verzichten. Das gilt ebenso für Mahlzeiten in Kantinen, Gaststätten und anderen Einrichtungen der Außer-Haus-Verpflegung wie Kindertagesstätten oder Altenheime.

Was wird als sicher eingestuft?
Nach derzeitigem Erkenntnisstand gelten laut DGE Schweine- und Geflügelfleisch sowie Milch und Milchprodukte als unbedenklich. Der kritische Verbraucher kann nur hoffen, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Neben Produkten tierischer Herkunft ist das Angebot pflanzlicher Lebensmittel wie Salat, Obst, Gemüse und Vollkornprodukte aller Art vielseitig und attraktiv, um sich in Zeiten der Unsicherheit gesund und abwechslungsreich zu ernähren.

Was macht BSE so gefährlich?
BSE - die Bovine Spongiforme Enzephalopathie - auch Rinderwahnsinn genannt, zählt zu den übertragbaren schwammartigen Gehirnkrankheiten. Das Leiden endet immer tödlich und ähnelt der Creutzfeld-Jacob-Krankheit beim Menschen oder Scrapie beim Schaf. Die Übertragung des Erregers vom Rind auf den Menschen gilt als wahrscheinlich, seit auf der britischen Insel eine ebenfalls tödlich verlaufende neue Form der Creutzfeld-Jacob-Krankheit (vCJK) beim Menschen auftrat, die auch vor jungen Menschen nicht Halt macht. Der BSE-Erreger wurde vermutlich durch den Konsum von infiziertem Rindfleisch Ende der 80iger und Anfang der 90iger Jahre auf den Menschen übertragen. Es wird vermutet, dass der BSE-Erreger in Großbritannien durch nicht ausreichend erhitztes Tierkörpermehl mit dem Futter auf Rinder überging. Seit Mai 1989 wurde jedoch die Einfuhr von Tiermehl aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr genehmigt. Inzwischen liegen jedoch auch Hinweise dafür vor, dass eine Übertragung von BSE vom Muttertier auf ihr Kalb erfolgen kann. Aber auch andere Übertragungswege wie durch Kot auf Wiesen und Weiden wird in Erwägung gezogen. Diese Verunsicherung setzt dem Verbraucher mächtig zu.

Qualität statt Quantität
Der Fleischumsatz beträgt in Deutschland rund 10 Milliarden DM im Jahr, wobei Erlöse aus Rindfleisch nicht eigens ausgewiesen sind. Fleisch wurde in den vergangenen Jahrzehnten ständig preiswerter, aber keineswegs wertvoller. Wer die Massentierhaltung anprangerte, sich über Tiertransporte durch halb Europa aufregte und trotzdem sein billiges Steak verlangte, wird jetzt zum Umdenken gezwungen. Der Homo sapiens ist von Anbeginn ein Mischköstler und kein reiner Fleischesser. Ebenso ist das Rindvieh an vegetarische Fütterung gewöhnt und nicht als Kadaver-Verwerter von eiweißhaltigem Tiermehl gemacht. Die Mehrheit der Verbraucher bestand darauf, täglich Fleisch auf dem Teller zu haben und degradierte Kartoffeln, Gemüse und Salat zur eben geduldeten Beilage.

Deutsche und EU-Politiker verboten nicht nur die Tiermehlfütterung für die kommenden sechs Monate, sondern fordern auch: Weg von den Agrarfabriken mit einer industriellen Billigfleischproduktion, die seit Jahren von Medizinern und Ernährungsexperten als Eiweißmast angeprangert wird.

Es geht nicht nur um eine radikale Neuorientierung der Landwirtschaftspolitik, die eine tiergerechte Aufzucht ermöglicht, sondern auch weitgehenden Gesundheitsschutz der Verbraucher nach dem Motto gewährleistet: Qualitativ hochwertige Lebensmittel statt Massenware zu Dumpingpreisen.

Kurskorrektur der Ernährung
Noch vor wenigen Jahrzehnten galt der Sonntagsbraten als besonderer Leckerbissen. Typ-II-Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Leiden, Gicht und Dickdarmkrebs - um nur einige zu nennen - waren selten. Die Behandlung ernährungsabhängiger Krankheiten verschlingt mittlerweile 150 Milliarden DM im Jahr. Die moderne Formel gesunder Ernährung ist einfach umzusetzen, vorausgesetzt die Bereitschaft zum Umdenken und Fantasie sind vorhanden:

- Ein- bis zweimal pro Woche eine kleine Portion Fleisch (Schwein oder Geflügel)
- Zwei Fischmahlzeiten (möglichst Seefisch)
- Zwei- bis dreimal Gemüsepfanne, Eintopf, Kartoffelgerichte und Aufläufe
- Einmal Teigwaren und Eierspeisen

Fünf Portionen Obst, Salat oder Gemüse am Tag komplettieren den gesunden Ernährungsfahrplan. Sie enthalten Vitamine, Mineralien als Mengen- und Spurenelemente sowie Ballaststoffe. Die moderne gemischte Kost ist abwechslungsreich, kalorienreduziert und bietet eine breite Palette der rund 50 Nährstoffe an, die der Mensch täglich benötigt, um gesund und fit zu bleiben bzw. zu werden.

Die Chance des Umdenkens
Rindfleisch ist durchaus kein Grundnahrungsmittel, wir können also eine Weile darauf verzichten, bis die BSE-Tests zukünftig Sicherheit gewährleisten. Wir brauchen das Umdenken jetzt. So erstaunlich es klingt: Die BSE-Seuche ist deshalb auch eine Chance. Der Verbraucher kann durch Boykott und Verzicht dazu beitragen, dass sie auch genutzt wird.

Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) Pettenkoferstr. 35 80336 München Telefon: 089/5328432 Telefax: 089/5389110

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